Sabine Cusig (1715 – 1783)
Eine Geschichte wie aus dem Groschenroman
Hören wir zunächst Theodor Fontane im Band „Grafschaft Ruppin“ seiner „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ zu. Im Kapitel über die Ruppiner Schweiz, also der Gegend zwischen Neuruppin und Rheinsberg, berichtete er: „Auch die Historie ist leisen Fußes durch diese Gegenden hingeschritten und erzählt von Kronprinz Fritz und seiner Liebe zum schönen Försterkinde von Binenwalde. Von Rheinsberg aus herüberkommend, gab er im Abenddämmer das wohlbekannte Zeichen nach dem mitten im See gelegenen Forsthaus hinüber, und nicht lange, so glitt ein Kahn aus dem Schilfgürtel hervor und der Stelle zu, wo der Prinz, unter den Zweigen einer überhängenden Buche, die schöne Sabine, das ‚Insel- und Försterkind‘, erwartete. Die schöne Sabine aber stand lächelnd aufrecht im Kahn, das Ruder mit raschem Schlage führend, bis im nächsten Moment das Ruder ans Land und sie selbst dem Harrenden in die Arme flog.“
So, und nun kommt meine sagenhafte Geschichte: Bevor Friedrich II. gekrönt wurde, ritt er fast täglich hin und her zwischen seinem wunderschönen Schloss Rheinsberg am Grienericksee und Neuruppin, in dem Soldaten in Garnison lagen, die er kommandierte. Eines Abends hörte er mich singen, stoppte sein Pferd und holte aus der Satteltasche seine Querflöte, die er stets dabeihatte. Sogleich fiel er mit dem Flötenklang aus der Ferne in meinen Gesang ein.
Bald erspähte ich den im Grase liegenden Flötenspieler. Doch da erscholl schon der Ruf meines Vaters über den See: „Sabine, Sabine” und das Echo wiederholte: „Bine, Bine”. Rasch sprang ich auf und rief noch beim Wegrudern: „Habt Dank, Spielmann, und kommt bald wieder. Ich wohne drüben im Forsthaus. Wo wohnt ihr?“ Es kam aber keine Antwort.
An den kommenden Tagen gab es weitere Begegnungen zwischen uns, ohne dass der Flötenspieler seine wahre Identität preisgab. So ging es noch eine Weile weiter. Eines Abends kam jedoch der Flötenspieler nicht zum Stelldichein, und an den nächsten Tagen blieb er auch fern. Aber nun wusste ich, wer er war, und vermutete, was ihn hinderte: wichtige Staatsgeschäfte.
Also machen wir es kurz: Der Flötenspieler ist natürlich Preußenkönig Friedrich II. in seiner Kronprinzenzeit und ich war Sabine Cusig. Ich kam als Zwillingstochter des königlichen „Heydereuters“ Anton Scott zur Welt und wurde 1734 mit Förster Ernst Ludwig Cusig verheiratet. Der war vorher kurze Zeit sogar Leibjäger des Kronprinzen in Neuruppin. Ob es ein Liebesverhältnis zwischen dem Prinzen und mir je gegeben hat, werde ich auch hier nicht verraten.
Jemand meinte, die Geschichte sei ein Märchen, weil wir zu dieser Zeit bereits verheiratet waren. Dem berühmten „Volksmund“ war dies offenbar kein Grund, die Legende zu glauben, auch Theodor Fontane nicht. Kommen Sie ins idyllische, nach mir benannte Binenwalde. Hoch oben über dem See können Sie mich treffen – als steinerne Statue, ähnlich der Jagdgöttin Diana. Schon 1843 wurde ein Denkmal für mich dort aufgestellt, das allerdings am Ende des Zweiten Weltkrieges zerstört wurde.