Friedrich Wilhelm August Schmidt (1764 – 1838)
Der dichtende Pfarrer
Ich bin der „Schmidt von Werneuchen“, der dichtende Pastor. Im Band „Spreeland“ seiner „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ hat er mir, seinem Dichterkollegen, mehrere Seiten gewidmet. Wenn Sie auf der Straße zwischen Berlin und Bad Freienwalde unterwegs sind, kommen Sie auf halbem Weg durch Werneuchen. Es ist Ihrer Laune überlassen, ob Sie hier anhalten oder nicht. Vielleicht besuchen Sie mein Grab auf dem früheren Kirchhof mitten in der Stadt. Sie können es nicht verfehlen, denn es befindet sich gleich neben dem klassizistischen Mausoleum der hugenottischen Familie Petitjean (kleiner Hans), die in Werneuchen eine der größten brandenburgischen Poststationen unterhielt.
Während andere reimende Pastoren-Kollegen Kirchenlieder hervorbrachten, nutzte ich meine dichterische Gabe, um meine liebste Henriette und die Barnimer Landschaft zu preisen. Meine Gedichte wurden im einfachen Volk geliebt, weshalb am Pfarrhaus gegenüber der Kirche eine Gedenktafel an mich erinnert. Ich wurde kurz nach Ende des Siebenjährigen Krieges im heute zu Potsdam gehörenden Fahrland geboren. Ich genoss die damals bestmögliche Ausbildung: Gymnasium zum Grauen Kloster in Berlin und Theologische Fakultät der Universität Halle. Von 1795 bis zu meinem Tod war ich Pfarrer in Werneuchen.
Und so besang ich meine Stadt: „Wenn vor des Pfarrhofs kleinen Zellen/ Nun bald die Lindenknospen schwellen,/ Wenn Vögel in den Ahornhecken/ Die weißen Eierchen verstecken,/ Dann kommst du, unsres Glückes froh/ Im Hute von geflochtnem Stroh,/ Zu atmen hier vom Veilchenduft/ Werneuchens reine Frühlingsluft.“
Über meine Lyrik schrieb Theodor Fontane in seinen „Wanderungen“: „Schmidt von Werneuchen handhabte Vers und Reim mit großer Leichtigkeit und zählte zu den produktivsten Lyrikern jener Epoche. … Am vorzüglichsten war er da, wo er in klassischer Einfachheit und in nie zu bekrittelnder Echtheit die märkische Natur beschrieb und den Ton schlichter Gemütlichkeit traf, ohne in Trivialität oder Sentimentalität zu verfallen. …Sein ganzes Dichten, Kleines und Großes, Gelungenes und Misslungenes, einigt sich in dem einen Punkte, dass es überall die Liebe zur Heimat atmet und diese Liebe wecken will. Und deshalb ein Hoch auf den alten
Schmidt von Werneuchen!“ Geht das nicht zu Herzen? Zumal Fontane als außerordentlich kritisch galt. Aber wie ich als Pastor, hat ja Fontane bekanntlich als Apotheker angefangen. Dichter war wir beide.
Johann Wolfang von Goethe hingegen konnte sich nicht zu einem Hohelied auf meine Poesie durchringen. Er parodierte mich in dem Gedicht „Musen und Grazien in der Mark“, in dem er reimte: „O wie freut es mich, mein Liebchen,/ daß du so natürlich bist;/ unsre Mädchen, unsre Bübchen/ Spielen künftig auf dem Mist….“ Denken Sie aber nur nicht, dass ich mich darüber ärgerte. Hat mich doch der Dichterfürst durch seine Aufmerksamkeit geehrt. Meine Kinder mussten daraufhin viele der Goetheschen Gedichte auswendig lernen.
Im Nachlass Goethes fand sich dann auch folgende Zeile: „Schmidt von Werneuchen ist der wahre Charakter der Natürlichkeit. Jedermann hat sich über ihn lustig gemacht, und das mit Recht; und doch hätte man sich über ihn nicht lustig machen können, wenn er nicht als Poet wirkliches Verdienst hätte, das wir an ihm zu ehren haben.“ Was soll ich dazu sagen?