Georg Friedrich Gustav Bernhard von Lepel (1818 – 1885)
Ein lebenslang treuer Begleiter
Der Briefwechsel zwischen Theodor Fontane und mir währte fast 40 Jahre und war außerordentlich intensiv. Das wäre wohl nicht der Fall gewesen, wenn wir nur Artigkeiten ausgetauscht hätten. Er hat mir sehr offen sein Herz ausgeschüttet und dabei zeigte sich, dass wahrlich nicht immer Gleichklang zwischen uns herrschte. Wie sollte auch? Ich befand mich klar im Lager der Bewahrer und er schwankte zwischen dem alten Preußen und modernen republikanischen Ansichten. Fontane tolerierte stets meinen unbedingten – nicht stets abwägenden – Konservatismus. Man konnte spüren, dass er viel Zeit in England verbracht hat. Allerdings änderte er mit den Jahren immer mehr seine Meinung zu seinem gelobten Land.
Im letzten großen Roman „Stechlin“ hat er deutlich gemacht, dass die Zeit dort nicht nur gute Erinnerungen hinterlassen hat. Die „Tante Adelheid“ lässt er darin sagen: „England. Es hat für mich eine Zeit gegeben, wo ich bedingungslos dafür schwärmte. … Diese halbe Vergötterung hab‘ ich noch ehrlich mit durchgemacht. Aber das ist nun eine hübsche Weile her. Sie sind drüben schrecklich runtergekommen, weil der Kult vor dem Goldenen Kalbe beständig wächst; lauter Jobber und die vornehme Welt obenan.“ Im denkwürdigen Jahr 1848 gehörte er gar zu den Barrikadenkämpfern, während ich als Unteroffizier den König verteidigte.
Ja, ich war es, der 1843 den jungen Apothekergehilfen Fontane in die literarische Gesellschaft „Tunnel über der Spree“ einführte. Und nein, das war zu dieser Zeit kein Club der renommierten Dichter. Wir alle dilettierten in Sachen der Poesie. Ich ganz besonders. Ganz anders Fontane, sich – wenig phantasievoll – im „Tunnel“ den Poetennamen „Lafontaine“ nach dem berühmten französischen Fabeldichter zugelegt hatte. Während seiner Dienstzeit bei der Armee war ich 1845 kurzzeitig sogar sein Vorgesetzter. Das Leben wollte es, dass wir nicht voneinander lassen konnten. Selbst in England waren wir gemeinsam. Ein besonderer Höhepunkt war unsere gemeinsame Reise nach Schottland im August 1858. Er machte daraus den zwei Jahre später erschienenen Reisebericht „Jenseit des Tweed“ (ja, „jenseit“ ohne s, weil es sich so besser ausspricht). Er hat den Bericht mir gewidmet. Im Vorwort schrieb er: „Eine Reise an der Seite eines Freundes ist eine Freundschaftsprobe, wie die Ehe eine Liebesprobe ist. Wir haben sie bestanden.“ Während „Jenseit des Tweed“ zu Fontanes Lebzeiten es nicht über die erste Auflage hinausbrachte, kommt inzwischen kein deutschsprachiger Schottland-Reiseführer ohne den Hinweis auf Fontanes Reise und ohne Zitate aus seinem Bericht aus.
Bedeutsam ist unsere zweiwöchige Tour durch den Norden der britischen Insel aus einem weiteren Grund: Hier kam ihm die Idee zu den „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“. Der Anblick der alten schottischen Burg Loch Leven Castle auf einer Insel im Loch Leven erinnerte ihn wehmütig an Schloss Rheinsberg am Grienericksee. Er fand, die märkische Heimat sei nicht minder schön als die schottische Landschaft: „Je nun, so viel hat Mark Brandenburg auch. Geh’ hin und zeig’ es.“ Der aus Liebe zur Heimat geborene Entschluss, die Kostbarkeiten der Landschaft und Kultur künftig zu Hause zu suchen, ließ ihn zwischen 1859 und 1889 dreißig Jahre lang die Mark Brandenburg durchwandern. Und bei vielen seiner Touren durfte ich ihn begleiten.
Später meinte er: „Ich bin die Mark durchzogen und habe sie reicher gefunden, als ich zu hoffen gewagt hatte.“ Er trug so viel Material zusammen, dass er gelegentlich sogar plante, die „Wanderungen“ in 20 Bänden herauszubringen. Dass ich dabei nicht untätig gewesen bin, hat er auch zugegeben: „Er (also ich) sammelte Geschichten für mich, erst um mir und dann gleich hinterher auch um sich selber eine Freude zu machen, eine Freude über meine Freude.“