Johann Nordmann (1820 – 1887)
Wanderungen durch die österreichischen Berge
Gestatten, Johann Nordmann, auch wenn ich im Kirchenregister der Gemeinde Landersdorf in Niederösterreich als Johannes Rumpelmayer vermerkt bin. Ich möchte betonen, dass es nicht am eigentümlichen Klang des Namens Rumpelmeyer gelegen hat, dass ich mir 1866 ein Pseudonym zulegte. Doch nun zu der Frage, warum ich ins Haus Fontane geladen bin. Ich verstehe mich als Zeitgenossen und Seelenverwandten des großen Dichters. Ich kam nur ein Vierteljahr nach ihm auf die Welt, musste sie allerdings bereits elf Jahre vor ihm wieder verlassen. Aber – Sie werden sich wundern! – auch ich habe Bücher über meine Wanderungen geschrieben. So, wie Fontane von Berlin aus auf „Wanderschaft“ ging, war für mich Wien der zentrale Ort meiner Ausflüge.
Mich zog es umher in Niederösterreich, ins Burgenland und hinauf ins Hochland, in die Alpen. Mein erstes Wanderbuch nannte ich „Meine Sonntage“ mit dem Untertitel „Ich komme vom Gebirge her!“. Es erschien 1868, als auch Meister Fontane mit seinen Wanderungen durch die Mark Brandenburg befasst war. 1884 brachte ich eine Fortsetzung heraus. Schlicht und einfach „Unterwegs“ habe ich es genannt. Meine Wanderungen fanden auch nur auf den letzten Wegstücken statt, wenn selbst der klappringe Leiterwagen nicht weiterkam. Wo es nur ging, reiste ich mit der Bahn und freute mich über jede neue Nebenstrecke, die selbst in abgelegene Gebiete unseres schönen Österreich führte.
Aber auch ich konnte von meiner Dichtung kaum leben. Obwohl ich bereits mit zehn Jahren in meiner Heimat als kleiner Poet galt, gelang mir nie der Durchbuch zur bedeutenden Poesie eines – sagen wir – Joseph von Eichendorff. Und so musste ich mich gleichsam Theodor Fontane in das Geschirr muffiger Redaktionsstuben spannen lassen. Zeitungen aller Art und Provenienz gab es ja in Wien zuhauf. Am liebsten waren mir die unpolitischen Literatur- und Theaterblätter. Natürlich bediente ich alle Genres, bemühte mich aber vornehmlich um das Feuilleton und schrieb – wie mein Bruder im Geiste – Theaterkritiken. Dass ich dadurch regelmäßig zu einem Premierenplatz im Burgtheater kam, sei nur am Rande erwähnt.
Manchmal gelang es mir sogar, ein eigenes Gedicht ins Blatt zu schmuggeln.
Aber ganz unpolitisch kann kein Leben sein. Ich habe mehrfach Dänemark besucht und dann, als es mit Preußen in Fehde lag, für das kleine Land Partei ergriffen. Theoretisch hätte ich in Dänemark zu jener Zeit dem guten Fontane begegnen können. Stattdessen brachte mir das dänische Intermezzo eine Klage des preußischen Königs ein.
Die Sache verlief zum Glück im Sande. Eine gute Wende nahm mein Leben, als ich in den Unternehmen von Johann Jacob Weber eine Anstellung fand. Jener Leipziger Verleger gehörte zu den größten seiner Zunft. Er war es, der 1840 die Friedrich-Biografie von Franz Kugler herausbrachte, zu der der damals noch völlig unbekannte Adolph Menzel viele Zeichnungen beisteuerte.