Emilie Fontane (1824 – 1902)
Die Frau an seiner Seite
Es heißt, ich war schon als Kind schwer zu bändigen und auch als erwachsener Mensch launisch und nicht immer leicht zu ertragen. Aber wie sollte ich auch anders geworden sein: als unehelich und nicht gewollt auf die Welt gekommen, als Kind zur Adoption freigegeben und größtenteils aufgezogen von Dienstmädchen, die nur ihre eigenen Vergnügungen im Kopf hatten. Immerhin erhielt ich eine solide Schulbildung, von der ich lebenslang zehren konnte. Als ich 20 war, erklärte ein Apothekerlehrling namens Theodor Fontane uns als Verlobte. Das geschah auf der früheren Weidendammer Brücke, die heute als „Teufelsbrücke“ im Eberswalder Messingwerkhafen vor sich hin rostet. Aber bis zur Heirat ließ er ganze fünf Jahre vergehen. In dieser Zeit musste ich sehen, wo ich eine Bleibe finde. Zum Glück nahmen mich auch Theodors Eltern zeitweise auf.
Theodor fand einfach keine Anstellung, die ihm die Gründung einer Familie ermöglichte. Vielleicht kümmerte er sich einfach nicht genug. Obwohl er dieses Ziel nach fünf Jahren immer noch nicht erreicht hatte, heirateten wir im Oktober 1850. Auch die gerade von mir ersehnte Anstellung im “literarischen Kabinett“ des Innenministeriums – Sie würden heute PR-Abteilung dazu sagen – brachte nicht das erhoffte Ergebnis. Zumal, er hasste diese Arbeit: „Man kann nun mal als anständiger Mensch nicht durchkommen“, schrieb er. So lebten wir jahrelang hart am Rand der Armut. Immer wieder mussten wir in stets kleinere Wohnungen wechseln. Sieben Kinder habe ich zur Welt gebracht. Drei davon sind allein in den ersten fünf Ehejahren gestorben.
Gern denke ich an die eineinhalb gemeinsamen Jahre in London zurück, wo Theodor ein geregeltes Einkommen hatte und wir mit zwei Söhnen eine gute Zeit verlebten. Sogar ein Häuschen konnten wir mieten. Aber das Glück hielt nicht lange. Obwohl ich das Leben in der Weltstadt zu genießen wusste, erlitt ich dennoch eine starke Sehnsucht nach der Heimat. Auch danach musste ich immer wieder die Sprunghaftigkeit meines Ehemannes aushalten. Seine Kündigung bei der „Kreuzzeitung“ und bei der Akademie der Künste waren nur die Spitze des Eisberges. Sein lapidarer Kommentar: „Sicherheit is nich“. Als endlich Theodors erster Roman „Vor dem Sturm“ erschien, den er anderthalb Jahrzehnte zuvor begonnen hatte, konnte er im Alter von 59 Jahren seinen Erfolg genießen. Er hatte nun zu seinem Metier als Romancier gefunden. Ich sah ein, dass all die Quälerei der vielen Jahre einen Sinn gehabt hatte. Mir war nun klar, dass zum häuslichen Glück gehört, „dass der Mann in seiner Tätigkeit glücklich und unbehindert ist“.
Aber denken Sie nicht, dass ich lediglich sein Dienstmädchen und die Erzieherin seiner Kinder war. Ich war – bescheiden gesagt – ein Teil seiner literarischen Produktivität. Da kaum jemand außer mir seine Handschrift lesen konnte, musste ich alle seine Manuskripte abschreiben. Stellen Sie sich die 20-bändige Gesamtausgabe vor – und Sie ahnen, was ich geleistet habe. Meine Meinung zu seinen Texten interessierten ihn durchaus. Wir führten in den Zeiten seiner häufigen Abwesenheit einen regen Briefwechsel. Rund 180 Briefe zwischen uns blieben erhalten. Sie sind Zeugnisse eines erfüllten Lebens. „Es war ein schönes Leben mit ihm, und ich würde es gleich noch einmal beginnen.“ Selbst durfte ich meinen Mann um vier Jahre überleben. Ich war sogar bei der Jahrhundertwende dabei, die Theodor so gern auch als Aufbruch in eine neue Zeit miterlebt hätte. Begraben wurde ich in einem Ehrengrab mit meinem Mann Theodor auf dem französisch-reformierten Friedhof in Berlin-Mitte.