Louis Henri Fontane (1796 – 1867)
Ein schwieriger Vater
Ich bin der Vater von Theodor Fontane. Für die Nachwelt ist das wohl nichts, womit ich mich brüsten könnte. Selbst mein Sohn hat nicht nur Schmeichelhaftes über mich in die Welt gesetzt. Ganz anders denke ich an meinen Vater zurück. Pierre Barthélemy Fontane war ein musischer Mensch, aber auch ein sehr preußisch-pflichtbewusster. Hätte er es sonst zum Kabinettssekretär bei unserer geliebten Königin Luise gebracht und hätte man ihn während der französischen Besetzung mit der Aufsicht über Schloss Schönhausen betraut? Ich habe sogar meine Apothekerlehre vorzeitig abgebrochen, um gegen die Besatzungstruppen ins Feld zu ziehen.
Ich war in der ersten großen Schlacht der Befreiungskriege bei Großgörschen dabei. Und das, obwohl ich Napoleon zeitlebens verehrt habe. Zum Glück konnte ich unversehrt aus dem Krieg zurückkommen, mein Staatsexamen als Apotheker ablegen und heiraten. Emilie Labry stammt ebenfalls aus einer hugenottischen Familie und war eine richtig gute Partie. Dazu kam, dass mir mein Vater einen Kredit gab, damit wir uns in Neuruppin eine Apotheke in bester Lage kaufen konnten. Neun Monate nach unserer Heirat kam in der „Löwen-Apotheke“ Sohn Henri Théodore auf die Welt. Er selbst nannte sich einfach Theodor.
Emilie hatte sich in mein heiter-temperamentvolles Wesen verliebt. Sie hatte nicht bedacht, dass damit allerdings ein gutes Quantum Leichtsinn verbunden war. Ich vertraute eher auf das Glück als auf kaufmännisches Geschick. Gut mit Geld umzugehen, war mir nicht gegeben. Also konnte ich ihr kein sicheres Leben bieten. Ich meinerseits hatte nicht bedacht, dass Emilies Ernsthaftigkeit und ihr Pflichtbewusstsein meinem Charakter vollkommen entgegenstand. Ich sage es gleich: Ich war nicht der Mann, der seine Frau glücklich machen konnte. Dass wir uns 1850 trennten, war keine Überraschung. In der Ehe verbunden blieben wir dennoch. Trotzdem liebte ich sie bis an mein Lebensende. Da war viel Tragik im Spiel. Trotzdem hatten wir auch glückliche Zeiten. In Neuruppin gehörte ich zu den Honoratioren der Stadt. Obwohl ich weder ein gelehrtes Studium absolviert hatte, noch einen akademischen Titel trug, war ich meist der Mittelpunkt der Gesellschaft. Mit meinen umfangreichen Kenntnissen der Geschichte und meinem Talent, dieses Wissen in lustigen Anekdoten zum Besten zu geben, fand ich immer wieder erfreute Zuhörer. Aber – leider Gottes – die Treffen endeten allzu häufig im ausufernden Glücksspiel.
Glück in der Liebe, Pech im Spiel – dafür war ich ein musterhaftes Beispiel. Dieses Laster wurde mein Ruin. Der kam allerdings schleichend. Von 1819 bis 1826 besaß ich die Löwenapotheke in Neuruppin, von 1827 bis 1837 die Apotheke in Swinemünde auf Usedom, von 1837 bis 1838 die Altstädter Apotheke in Mühlberg an der Elbe, und ab 1838 war ich Apothekenbesitzer in Letschin im Oderbruch. Die Orte wurden immer kleiner, die Apotheken immer armseliger. Leider kam Theodor in manchem nach mir. Auch er war unstet, wechselte vor allem in jungen Jahren immer wieder seine Arbeitsstätten; auch er war stets in Geldnot und schwankte hinsichtlich seiner Lebensbestimmung. Dass ich ihn zum Apotheker ausbilden ließ, hat er mir zeitlebens verübelt. Erst als er sich als angesehener Schriftsteller etablieren konnte, fanden wir zu einem guten Vater-Sohn-Verhältnis.
Er besuchte mich regelmäßig in Schiffmühle, wo ich meine letzten Jahre verbrachte. Von hier aus unternahm er viele Touren für sein Wanderungen-Buch.