Otto Gebühr (1877 – 1954)
Ich war der Alte Fritz
Mein Name ist Otto Gebühr, ich wurde 1877 geboren und starb 1954. Von Beruf war ich Schauspieler. Bevor wir über mich und Friedrich den Großen sprechen, möchte darauf hinweisen, dass mich der große Max Reinhardt 1917 an sein Deutsches Theater geholt hat. Ich war dort auf dem Olymp deutscher Schauspielkunst! Bevor ich allerdings in derartige Rollen hineinwachsen konnte, hatte mir das Schicksal einen anderen Weg gewiesen. Mein Schicksal hieß Friedrich, der große König. Erst war es ein belangloser Stummfilm über die Tänzerin Barberina, dann aber die vier Teile des Fridericus-Rex-Epos. Ich spielte dort den jungen Kronprinzen, der vom Vater drangsaliert wird, ebenso den jungen, draufgängerischen König, wie auch den strengen, aber gütigen Landesvater.
Das klappte ganz gut, denn wir stellten ja vor allem die Bilder nach, die die Leute längst in ihrem Kopf gespeichert hatten – nämlich die von Adolph Menzel. Seine monumentalen Gemälde – das Flötenkonzert von Sanssouci oder die Tafelrunde – und auch seine 375 Holzschnitte, die in Franz Kuglers Biografie enthalten sind. Es hat wohl nie wieder eine Biografie des großen Königs gegeben, die nur annähernd so viele Auflagen erlebt hat wie die Kuglers. 1930 hatte der Tonfilm seinen großen Durchbruch. „Das Flötenkonzert von Sanssouci“ war mit das erste, was aus den Kinolautsprechern zu hören war. Und wieder einmal hatte ich Glück: Ich konnte meiner Stimme jenen knarrenden Ton geben, von dem alle meinten, so habe Friedrich gesprochen. Mit den Jahren verlor mein Gesicht die anfänglichen runden Formen. Die Nase, die Augen, die Gesichtsfalte – ich wurde dem König immer ähnlicher. Eines Tages spielte ich nicht mehr Friedrich den Großen, ich war Friedrich der Große.
Egal, was die Historiker über Friedrich schrieben – ich war sein Abbild. Wenn irgendwo ein neues Denkmal aufgestellt werden sollte, wenn ein Gemälde ausgestellt wurde – immer war ich der Maßstab für die authentische Darstellung. Natürlich auch auf der Bühne. Wenn jemand den großen König auf die Bretter bringen wollte, musste er sich geben wie Otto Gebühr. Den kannten alle, wer kannte schon Friedrich II.? Persönlich. Es gibt da so eine Geschichte von einem Regisseur, der einen Friedrich-Darsteller suchte. Da kam einer herein mit Adlernase, stechenden Augen und forscher Stimme: „Na, sehe ich nicht aus wie Friedrich der Große?“ Darauf der Regisseur: „Sie sollen nicht wie Friedrich der Große, sondern wie Otto Gebühr aussehen.“ Ich weiß nicht, ob der gute Mann die Rolle bekam.
Wissen Sie, was mein größtes schauspielerisches Kunststück war? Es war dieser verschmitzte Seitenblick, mit dem ich dem Publikum deutlich machen konnte, dass der große König auch immer ein Mensch geblieben ist. Er war der Autokrat zum Anfassen, der Mensch, dem man gern durch Dick und Dünn folgen konnte. Ich konnte durch einen kurzen Augenaufschlag die Distanz zwischen denen da oben und denen da unten überwinden. Als Hitler diesen Trick begriffen hatte, den er bei aller eigenen Schauspielerei nie beherrschte, fand er die Fridericus-Filme schließlich ganz nützlich. Jahrelang hatte sich Goebbels für Friedrich im Kino stark gemacht. Aber der Österreicher mochte eben den Urpreußen nicht. Zum Schluss aber hatte er nur noch eine Hoffnung: so aus dem tiefen Schlamassel herauszukommen, wie einst Friedrich nach der Schlacht von Kunersdorf. Veit Harlan hatte in seinem Film „Der große König“ dafür die Folie geliefert.
Dass ich zum Staatsschauspieler ernannt wurde und vor den Größen des Dritten Reiches in Friedrich-Uniform auftreten musste, möge man mir nachsehen. Wer so mit einer Rolle verschweißt ist, wie ich das war, darf nicht ausbrechen. Die Strafe wäre sein Untergang. Der kam ohnehin. Zwei Jahre lang wurde ich von den Alliierten mit Auftrittsverbot belegt, obwohl ich stets nur das aufgesagt habe, was andere mir aufgeschrieben hatten. Aber ich WAR ja der König von Preußen und das war abgeschafft.