Karl Friedrich Schinkel (1781 – 1841)
Sanssouci: von schlechtem Geschmack?
Mein Name ist Karl Friedrich Schinkel, geboren 1781 in Neuruppin. Mein Vater war für das Kirchen- und Schulwesen im Ruppiner Land zuständig. Sie haben bestimmt von dem Stadtbrand im Jahr 1787 gehört, bei dem zwei Drittel aller Neuruppiner Häuser vernichtet wurden. Bei den Löscharbeiten holte sich mein Vater eine Lungenentzündung, an der er zwei Monate später verstarb. Meine Mutter und ich kamen in das Predigerwitwenhaus, das wie durch ein Wunder von den Flammen verschont war. Während meiner Schulzeit erlebte ich Neuruppin als eine riesige Baustelle. Ich hätte lieber den Bauleuten bei ihrer Arbeit zugesehen, als zum Unterricht zu gehen. Besonders beeindruckte mich die präzise Planung der Arbeiten, die vom Stadtgrundriss bis zum einzelnen Mauerwerk reichten. Ein ganz junger Mann leitete den Aufbau: Friedrich Gilly. Wenn ich damals gewusst hätte, dass ich einst sein Schüler sein sollte!
Aber ich will Ihnen ja von König Friedrich II. erzählen, der bei uns in Neuruppin zwischen 1732 und 1740 ein Regiment befehligte. Bis er ins Schloss Rheinsberg übersiedeln konnte, hatte er in Neuruppin eine Wohnung. Nebenbei kümmerte er sich um die Begrünung unserer Wallanlagen und legte sich selbst einen Garten an. Der erhielt einen Hügel, auf den sich der Kronprinz von seinem Freund Knobelsdorff einen Tempel setzen ließ. Wenn Sie nach Neuruppin kommen, müssen Sie den Tempelgarten besuchen. Hier entwickelte der Kronprinz sein Gespür für Landschaftsgestaltung, das sich letztlich auch in Potsdam-Sanssouci zeigt.
Obwohl ich erst fünf Jahre alt war, als der große König starb, hat er mein weiteres Leben stark geprägt. Und das kam so. 1794 zog unsere Familie nach Berlin. Rund drei Jahre später gab es hier eine große Ausstellung, in der die Pläne für ein würdiges Friedrich-Denkmal gezeigt wurden. An einem Wettbewerb hatten sich alle großen preußischen Architekten beteiligt – Schadow, Langhans, Hirt, Gentz und mein Idol aus Neuruppiner Zeiten: Friedrich Gilly. Sein Entwurf zeigte einen antiken Tempel auf einer Treppenanlage vor dem Potsdamer Tor. Hier, vor den Zeichnungen zum Friedrich-Denkmal, entschloss ich mich, Architekt zu werden. Ein Jahr später bereits war ich Eleve an der Bauschule von Vater und Sohn Gilly. Keiner der Entwürfe wurde realisiert. Vielleicht war der geistige Abstand zum König noch nicht groß genug, um ihm ein Nationaldenkmal zu widmen.
Dann folgte ein Unglück dem anderen. Im Jahr 1800 starb das Baugenie Friedrich Gilly im Alter von nur 28 Jahren. Wenige Jahre später begannen die schweren Jahre der napoleonischen Herrschaft. 1819, als wieder Frieden eingekehrt war, begann die Besinnung auf nationale Größe. Damals kam wieder die Idee auf, Friedrich dem Großen ein Denkmal von würdigen Ausmaßen zu stiften. Diesmal wurde ich mit den Entwürfen betraut. Der regierende König Friedrich Wilhelm III. favorisierte eine Riesensäule wie die für den Kaiser Trajan in Rom. Ich entwarf einen mehrgeschossigen Turm, der von der Figur der Siegesgöttin gekrönt ist. Von dem Turm aus sollte der Besucher einen eindrucksvollen Rundum-Blick über das friderizianische Berlin haben. Doch auch dieser Plan wurde nicht verwirklicht. Wohl, weil sich der König nicht entschließen konnte.
Was ich selbst von Friedrich II. halte? Aus architektonischer Sicht herzlich wenig. Darf ich Ihnen vorlesen, was ich selbst über das Schloss Sanssouci geschrieben habe? Bitteschön: „Eine schwere Balustrade läuft am Dache umher und ist mit Skulpturen von Vasen und Kindergruppen in schlechtem Stil verziert. Die an der hinteren Seite liegende Kolonnade von korinthischen Säulen ist von ziemlich guten Verhältnissen, obgleich in der Hauptanordnung und den einzelnen Details nicht in gutem Geschmack.“ Aber – wie sich zeigte – hat meine Meinung die UNESCO nicht daran gehindert, Sanssouci auf die Liste des Weltkulturerbes zu setzen. Zum Glück befindet sich mein Altes Museum mitten in Berlin auf der gleichen Liste. Schließlich möchte ich anmerken, dass ich zu den Ehrengästen bei der Grundsteinlegung für sein Reiterstandbild Unter den Linden gehörte.