Giacomo Girolamo Casanova (1725 – 1798)
Eine Plauderei im Park
Mein Name ist Giacomo Girolamo Casanova. Ich bin nicht von adliger Geburt, auch wenn ich an den Höfen Europas verkehrte. Meine Eltern waren Schauspieler. Im Jahr 1764 befand ich mich im 39. Lebensjahr, als mich das Schicksal an den preußischen Hof führte. Dort hatte ich die Ehre, König Friedrich II., “den Großen“, zu treffen. Bei einem guten Angebot wäre ich vielleicht für eine angemessene Zeit sein treuer Diener geworden. Also bemühte ich mich, ihm dafür Gelegenheit zu bieten. In meinen Memoiren habe ich darüber berichtet. Genießen Sie daraus ein paar Sätze.
Von Magdeburg fuhr ich geraden Weges nach Berlin, ohne mich in Potsdam aufzuhalten; denn der König war nicht da. Die erbärmlichen Wege auf dem preußischen Sandboden waren schuld, dass ich drei Tage brauchte, um achtzehn deutsche Meilen zurückzulegen. Ich stieg im Hotel de Paris ab, wo ich alles so fand, wie es für meine Ansprüche und für meine Börse passte. Am fünften Tage nach meiner Ankunft in Berlin stellte ich mich dem Lord Marishal vor, der Mylord Keith genannt wurde. Er war immer noch ein Liebling des Königs, mischte sich aber wegen seines hohen Alters in keine Hofangelegenheiten mehr ein.
Er fragte er mich, ob ich die Absicht habe, eine Zeitlang in Berlin zu bleiben. Da er die Wechselfälle meines Lebens teilweise kannte, antwortete ich ihm, ich würde mich gern dauernd niederlassen, wenn nur der König mir eine Anstellung böte, die meinen Kenntnissen entspricht. „Ich rate Ihnen, dem König zu schreiben, dass Sie nach der Ehre einer Unterredung streben«. »Wird der König mir antworten?« »Ohne allen Zweifel; denn er antwortet einem jeden. Er wird Ihnen mitteilen, wo und zu welcher Stunde er Sie empfangen will.“ Ich schrieb dem König einen ganz einfachen und sehr ehrfurchtsvollen Brief, in dem ich fragte, wo und wann ich mich Seiner Majestät vorstellen dürfte. Am zweiten Tage darauf erhielt ich einen Brief; man bestätigte mir den Empfang meines Briefes und teilte mir mit, dass der König sich um vier Uhr im Park von Sanssouci befinden würde.
Wie man sich denken kann, war ich pünktlich zur Stelle. In einen einfachen schwarzen Anzug gekleidet, begab ich mich um drei Uhr nach Sanssouci. Im Schlosshof sah ich keinen Menschen, nicht einmal eine Schildwache; ich ging eine kleine Treppe hinauf, öffnete eine Tür und befand mich in einer Bildergalerie. Der Aufseher kam auf mich zu und erbot sich, mich zu führen. Ich antwortete ihm: »Ich komme nicht, um Meisterwerke der Malerei zu bewundern, sondern um den König zu sprechen, der mir geschrieben hat, dass er im Park sein werde.« »Er ist in diesem Augenblick bei seinem kleinen Konzert, wo er die Flöte spielt. Das tut er jeden Tag nach Tisch. Hat er Ihnen die Stunde bezeichnet?« »Ja, um vier Uhr; aber er wird es vergessen haben.« »Der König vergisst niemals etwas; er wird pünktlich sein, und Sie tun gut, wenn Sie ihn im Park erwarten.«
Ich befand mich seit einigen Augenblicken im Park, als ich ihn mit seinem Vorleser und einer hübschen Windhündin erscheinen sah. Sobald er mich bemerkte, ging er auf mich zu, nahm seinen alten Hut ab, nannte meinen Namen und fragte mich in barschem Ton, was ich von ihm wollte. Überrascht von diesem Empfang, konnte ich kein Wort hervorbringen; ich sah ihn nur an, ohne ihm zu antworten. Während er mich fragte, worüber ich mit ihm sprechen wolle, befahl er mir zugleich, mein Urteil über seinen Park abzugeben! Jedem anderen hätte ich geantwortet, dass ich nichts davon verstünde; aber da der König geruhte, mich für einen Kenner zu halten, hätte es schlecht ausgesehen, wenn ich ihm widersprochen hätte. Das verzeiht ein König niemals, selbst wenn er ein Philosoph ist. Unsere Plauderei drehte sich dann noch um Steuern und Lotterie. Aber damit möchte ich Sie nicht langweilen. Wie Sie sicher ahnen, reiste ich unverrichteter Dinge wieder ab.