Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff, Maler und Architekt (1699 – 1753)
Der Laie und sein Genie
Unausstehlich sind für mich die Laien, die meinen, dem Fachmann ständig angeblich gute Ratschläge erteilen zu müssen. Und ganz besonders schlimm wird es, wenn der Laie oberster Machthaber seines Landes ist und generell in alles hineinredet. Typische Despotenmanier. Genau diese Situation mussten die allermeisten Architekten unter Friedrich II. erleiden. Nur wer bereit war, sich dem Diktat des Königs in Bauangelegenheiten zu beugen, hatte nichts auszustehen. Sie werden fragen: Warum sind in der Regierungszeit Friedrichs II. so viele künstlerisch wertvolle Bauwerke entstanden? Weil er eben ein sehr kunstverständiger Laie war, einer, der sich zum Schönen hingezogen fühlte.
Sie erkennen aber sein laienhaftes Herangehen an die Baukunst sofort, wenn Sie versuchen, die äußere Form und die innere Funktion ins Verhältnis zu setzen. Da stimmt nichts! Und wenn etwas stimmt, dann ist das nicht das Verdienst des Königs. Ihm war es egal, ob sich die Fenster eines Wohnhauses am Fußboden entlangziehen, wenn der Bau nur von außen klassisches Ebenmaß aufweist. Oder Schloss Sanssouci. Was hab ich gebeten und gebettelt, er möge bei seinem Weinbergschloss eine Kelleretage einplanen. Nein, er wollte Innen (die Kultur) und Außen (die Natur) möglichst auf einer Ebene halten und zwischen beiden mühelos wechseln können. In diesem Fall musste er selbst leiden: immer kalte Füße, viel Feuchtigkeit in den Wänden – da ist man Rheuma und Gicht schutzlos ausgeliefert, auch wenn man sich König nennen darf.
Genug des Lamentierens: Ich bin Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff, geboren im letzten Jahr des kriegerischen 17. Jahrhunderts als Sohn pommerscher Landadliger und somit vorbestimmt für den Militärdienst. Als ich mich1730 in die Dienste des damaligen Kronprinzen begab, zunächst in Neuruppin und dann in Rheinsberg, war das auf dem Gebiet meiner wahren Leidenschaft – der Architektur und der Künste. Die Doppelturmanlage des Schlosses zu Rheinsberg ist mein Werk. Ich war Friedrich ein Freund, ein Lehrer, ein Diener. Zwar war ich 13 Jahre älter als Seine Majestät, aber wenn zwei Hitz- und Dickköpfe aufeinanderprallen, treten Standes- und Altersunterschiede zurück. Und wissen Sie, was das Verrückteste ist? Ich war selbst nur ein Autodidakt, habe als Laie angefangen und mir selbst verschiedene Künste beigebracht: Ich betätigte mich als Maler, Gartengestalter, Dekorateur, schließlich als Architekt. Mit der Königlichen Oper Unter den Linden in Berlin löste ich eine höchst anspruchsvolle Aufgabe. Ein derart großes Theatergebäude hatte es bis dahin in Preußen nicht gegeben. Ich orientierte mich an den besten Vorbildern, den Bauwerken der Antike, dem Renaissance-Baumeister Palladio, dem Rokoko-Maler Antoine Watteau, dem Hofmaler Antoine Pesne, mit dem ich bis zum Tode befreundet blieb.
Ich möchte hier nicht nur schlechte Worte über König Friedrich verlieren, obwohl das, was heute in den Geschichtsbüchern als „Zerwürfnis“ beschrieben wird, ein Rausschmiss erster Güte war. Bedenken Sie: Gemeinsam haben wir einen eigenen Baustil hervorgebracht: das fridericianische Rokoko. Ein Schloss nach dem anderen haben wir gebaut – in Charlottenburg, in Potsdam und auf dem Weinberg bei Potsdam. Als aber der König glaubte, andere Baumeister würden es ebenso gut können, durfte ich nur noch Kasernengebäude für die Garde du Corps, die berittene Leibgarde des Königs, entwerfen.
1750 haben sich der König und ich zum letzten Mal gesehen. Ich starb mit gerade 54 Jahren. Vier Monate nach meinem Tod hielt der König im Januar 1754 in der Berliner Akademie der Wissenschaften eine Lobrede auf mich. Es war wohl ein einmaliger Vorgang, dass ein königlicher Bauherr eine solche Würdigung ausspricht. In seiner Rede sagte der König: „Es ist ein Kennzeichen des Genies, dass es seinen natürlichen Neigungen unbezwinglich folgt und klar erkennt, wozu es geschaffen ist.“ Wenn er das nur schon zu meinen Lebzeiten so gesehen hätte!