Carl Friedrich Bückling (1756 – 1812)
Die zweite Erfindung der Dampfmaschine
Ich wurde 1756 in Neuruppin geboren. Hier diente Kronprinz Friedrich als Kommandeur bis zur Thronbesteigung 1740. Dem König bin ich persönlich nie begegnet, jedoch hat er auf mein Leben einen großen Einfluss ausgeübt. Ich gelte als der Preuße, der die erste Dampfmaschine nach Wattscher Bauart fertigte. Und das auf Befehl unseres Königs. Lange Zeit suchten Ingenieure und Scharlatene gleichermaßen fieberhaft nach einer Kraft, die stark genug ist, das Grubenwasser aus den tiefen Kohle- und Erzschächten nach oben zu befördern. Weder Menschen, noch Tierkraft reichten hierfür aus. Windmühlen waren da schon sinnvoller – aber was tun bei Windstille? Der gute Johann Esaias Silberschlag, nach dem später sogar ein Mondkrater benannt wurde, schrieb an Friedrich II. und machte ihn auf die in England, Ungarn und Schweden bereits eingesetzte Maschine mit Dampfantrieb aufmerksam. Der schob alle Bedenken beiseite und befahl, dieses Wunderwerk herbeizuschaffen.
Am 23. April 1778 erhielt Oberbergrat Freiherr Waitz von Eschen per Ordre König Friedrichs II. den Auftrag, nach England zu reisen und dort die Konstruktion der Wattschen Dampfmaschine, deren Effekt und Kosten zu erkunden und entsprechende Zeichnungen anzufertigen. Ich war damals im preußischen Berg- und Hüttendepartment in Berlin als Bauinspektor angestellt und fühlte mich sehr geehrt, dass man mich als Reisegefährten auswählte. Noch im Mai traten wir unsere Reise an. In Birmingham angekommen, lud uns Mister Watt zu einer Besichtigung durch seine Fabriken ein.
Er zeigte uns stolz seine neuartige Dampfmaschine und plauderte über alle möglichen Details dieser Erfindung: über ihren Wirkungsgrad, die effektivste Zuführung des Dampfes, die Regelung etc. Am Tag nachdem wir in Watts Haus gespeist hatten, fuhren wir noch einmal in die Fabrik, bestachen einen Arbeiter, damit er die Maschine in allen Einzelheiten auseinanderbaue und ich von allen Teilen Zeichnungen machen konnte.
Auf Grundlage meiner Zeichnungen hatten wir 1783 ein Modell der Wattschen Dampfmaschine fertig. Ich gebe zu, es funktionierte nicht perfekt. Trotzdem bewilligte der König das Geld für den Bau einer richtigen Dampfmaschine für die Kupfergrube in Hettstedt am Rande des Harzes. Mir übertrug man die Oberaufsicht über das Projekt. Die Aufgabe bestand schlicht und einfach darin, die Dampfmaschine ein zweites Mal zu erfinden.
Einerseits musste ich stets befürchten, dass meine Zeichnungen zu ungenau waren und ich wichtige Details übersehen hatte, andererseits mangelte es uns an den nötigen Materialien. Zum einen wiesen die vorhandenen Werkstoffe nicht die ausreichende Festigkeit auf, andererseits benötigten wir für die Befeuerung Brennstoffe mit sehr hohem Heizwert. Aber Koks gab es bei uns praktisch nicht. Es gelang mir vor allem nicht, die Ein- und Auslassventile nach Belieben zu regeln.
Zum Glück erhielt ich Gelegenheit zu einer zweiten Reise nach England. Diesmal gelang es mir, mit viel Bestechungsgeld einen englischen Ingenieur abzuwerben. Er hieß William Richards und folgte mir nach Preußen. Wir besaßen nun die exakten Baupläne für eine eigene Dampfmaschine nach Watts Vorbild. Aber seine Mitarbeit schien anfangs vergebens. Die Steuerung funktionierte zwar einwandfrei, doch war das Material nach wie vor zu verschleißanfällig. Erst als es mir gelang, eine Firma ausfindig zu machen, die die Geräte in erforderlicher Qualität herstellen konnte, konnten die Probleme gelöst werden. Danach arbeitete die Maschine einwandfrei. Am 23. August 1785 haben wir die erste Dampfmaschine Wattscher Bauart feierlich in Betrieb genommen. Das Aufatmen war groß. Die von der Dampfmaschine betriebenen Pumpen zeigten, was sie konnten. Der König durfte diesen Erfolg ein Jahr vor seinem Tod noch erleben.