Heinrich Graf Brühl, Premierminister und Kunstsammler (1737 – 1763)
Er gab mir die Ehre, sein Feind zu sein
Kennen Sie Dresden, die Brühlschen Terrassen an der Elbe mit den „Brühlschen Herrlichkeiten“: der Bildergalerie, der Bibliothek, dem Belvedere, dem Palais und der Gartenanlage? Ohne mich gäbe es das nicht! Und wenn Dresden als Kunstmetropole von europäischem Rang gilt, dann ist das vor allem mein Verdienst. Ich war es, der die Sixtinische Madonna und andere Kunstwerke alter Meister an die Elbe holte.
Dabei entstammte ich noch nicht einmal dem Hochadel. Wenn man es mit den Maßstäben des Adels misst, sogar aus ärmlichen Verhältnissen. Durch Klugheit, Fleiß und unbedingte Verlässlichkeit konnte ich jedoch schnell Karriere am Hof August des Starken machen, der gleichzeitig Kurfürst von Sachsen und König von Polen war. Bereits mit 31 Jahren war ich sein engster Vertrauter, wurde sein Geheimer Rat, Finanzminister und Außenminister. Nach dem Tod August des Starken 1733 machte mich dessen Nachfolger, Friedrich August II., zum Premierminister mit allen Vollmachten. Mit beiden Königen brachte ich Sachsen zu seiner schönsten Blüte, kulturell und politisch. Auch wenn die Finanzlage alles andere als rosig war. Oft fehlte das Geld, um auch nur die Zinsen der Schulden der Staatskasse zu bezahlen. Ich selbst hatte allerdings nie Grund zu klagen. Wenn nach meinem Tod Gerüchte gestreut wurden, ich hätte Geld im großen Stil unterschlagen, dann haben die sich stets als haltlos erwiesen.
Irgendwann lief in Sachsen nichts mehr ohne mich, auch – oder besser gerade – in der Außenpolitik. Es war meine vornehmste Aufgabe, Sachsen im Konzert der europäischen Mächte stärker hörbar werden zu lassen. Den Aufstieg Preußens beobachtete ich mit größter Sorge, denn sollte sich die Rivalität der Häuser Hohenzollern und Habsburg weiter verstärken, konnte Sachsen nur zwischen die Mühlsteine geraten. So war mein erklärtes Ziel, Preußen wieder zur unbedeutenden „märkischen Streusandbüchse“ zu machen, die es am Ende des Dreißigjährigen Krieges war.
Kein Wunder, wenn ich in Konfrontation zu Preußenkönig Friedrich II. geriet. Und das gleich in mehrfacher Hinsicht. Nach dem Raub Schlesiens durch Preußen war Sachsen zu einem Hindernis zwischen dem märkischen Kernland Preußens und den eroberten Gebieten geworden. Man muss nur einmal auf die Landkarte schauen, um das zu verstehen. Das konnte nicht gut gehen. Andererseits war da die Rolle Dresdens als Anziehungspunkt für Schöngeister aus ganz Europa, eine Rolle, die Friedrich II. sich selbst zugedacht hatte. Und das Meißner Porzellan, die Leipziger Messe und das unbeschwerte Leben der Sachsen. Verständlich, wenn mich der Preußenkönig Friedrich II. beneidete, und wer Neid hegt, der hasst auch.
Es machte mir Freude, an den Höfen Europas gegen Preußen zu intrigieren und zu konspirieren. Ich war nicht ganz unbeteiligt daran, dass sich eine europäische Allianz zusammenfand, um dem Preußenkönig seinen dreisten Raub wieder abzujagen. Aber ausgerechnet Friedrich II. gelang es, in meine Kanzlei einen Spion einzuschleusen. So kam er in den Besitz von Geheimdokumenten jener antipreußischen Koalition, zu der auch Sachsen gehörte. Die Folge: 1756 fiel Preußen mit einer fünffachen Übermacht in Sachsen ein, besetzte, zerstörte und plünderte, dass selbst die eigenen Feldherren Gewissensbisse bekamen. Auf seinen ausdrücklichen Befehl hin wurden auch alle meine Besitzungen geplündert.
Sieben Jahre dauerte dieser Krieg, der nur aufgrund der Erschöpfung aller Beteiligten zu Ende ging. Dabei hatten die Sachsen die größten Opfer zu tragen, denn sie mussten nicht nur ihr Land wieder aufbauen, sondern den Preußen auch noch einen Großteil der Kriegskosten erstatten. Ich überlebte das Ende dieses schändlichen Krieges zum Glück nur um wenige Wochen, denn nun wurde ich verantwortlich gemacht für die erbitterte Feindschaft zwischen Sachsen und Preußen. In der Stadtkirche von Forst liege ich begraben.