James Kirkland (Lebensdaten unbekannt)
Ein besonders langer Kerl
Riesengarde, Vorzeigetruppe, Spielzeugsoldaten – mit vielen Namen wurden die „Langen Kerls“ des Soldatenkönigs belegt. Doch wer waren diese Männer, die gut einen Kopf größer waren als der Normalbürger? Wir waren meist einfache Bauernsöhne, denen ihre Körpergröße eher als Fluch, denn als Segen erschien. In den Katen unserer Eltern mussten wir uns ständig gebeugt bewegen, kaum, dass wir uns einmal in einem Bett ausstrecken konnten, die Kleidung unserer älteren Geschwister konnten wir nicht auftragen, wir galten als ungelenk und wurden gemieden oder gehänselt. Da war es vielleicht gar nicht so ein großes Unglück, dass da im fernen Potsdam ein Monarch war, der genau für uns ein Faible hatte und viel Geld für uns bezahlte. Aber von dem Preis, der für uns bezahlt wurde, haben wir selbst kaum etwas gesehen.
Die Werber, die der König in ganz Europa ausgeschickt hatte, steckten sich die Beträge ein. Es war ein verfluchter Menschenhandel. Im Lauf der Jahre bildeten sich feste Preise für einen geworbenen „Langen Kerl“ heraus. Ein gewöhnliches Handgeld für einen fünf Fuß und zehn Zoll (nach Rheinischem Maß 1 Fuß = 31,4cm) großen Mann betrug 700 Taler. Für einen von sechs Fuß wurden 1000 Taler bezahlt. Der teuerste aller „Langen Kerls“ war ich, James Kirkland aus Irland. Friedrich Wilhelm soll für mich 7.161 Reichstaler gezahlt haben.
Wie mein „Transfer“ ablief, kann man aus der Depesche des Preußischen Gesandten in London von Borcke betreffs “Anwerbung des James Kirkland für das Leibregiment in Potsdam“ entnehmen. Die Depesche vom 21. März 1734 beginnt: „Ich lebe der alleruntertänigsten Zuversicht, dass der überschickte Kerl, Namens James Kirkland, ein Irländer von Geburt, und seines Alters 20 Jahr, glücklich überkommen, und E.K.M. (Eure Königliche Majestät) allergnädigste Approbation finden wird.“ Im Anhang des Schreibens befindet sich die „Specification“ der aufgewandten Kosten, deren Rückzahlung der Gesandte erwartete: An zwei ausgeschickte Kundschafter 18 Pfd. 18 Schill.; Reise aus Irland nach Chester 30 Pfd.; Reise von Chester bis nach London 25 Pfd., 12 Schill.; dem Kerl, der ihn gebracht hat, 10 Pfd. ,10 Schill.; einem Anverwandten, der ihn überreden half mit 18 Pfd, 18 Schill. ihm selber bei der Ankunft 1 Pfd., 1 Schill.; für drei Jahre versprochenen Lohn 60 Pfund….“ Die Liste mit den Ausgaben ging noch lange so weiter. Dafür bekam der König mich, einen Riesen von 2,17 Metern Größe, der ihn selbst um mehr als einen halben Meter überragte.
Der König liebte seine Riesengarde so, dass er sie stets bei sich haben wollte. Also ließ er die Grenadiere malen und hängte ihre Bilder im Potsdamer Schloss oder im Jagdschloss von Königs Wusterhausen auf. Manchmal griff er selbst zu Pinsel und Palette, um einen seiner Lieblinge zu porträtieren. Aber auch nach ihrem Tode mochte er nicht von ihnen lassen. Für das in seinem ersten Regierungsjahr gegründete „Theatrum anatomicum“ ordnete er an, dass alle »Monstra und Merkwürdigkeiten« Verstorbener zu demonstrieren seien. Es ist sehr wahrscheinlich, dass der König auch Leichen der »Langen Kerls« für die Sektion übergab. Erhalten geblieben sind jedenfalls zwei Skelette – eins in Berlin und eins in Potsdam, – von denen das Berliner 2,12 Meter groß ist und eine Reihe von Krankheiten verrät.
Ich gehörte zeitlebens zu den zwölf „unrangierten“ Riesen. Das waren die größten der großen, die vor allem für Repräsentationszwecke zur Verfügung zu stehen hatten und daher nicht unmittelbar der kämpfenden Truppe zugeordnet waren. Nach Auflösung der „Langen Kerls“ mit dem
Tod des „Soldatenkönigs“ wurde ich als Heiducke in den Hofstaat Friedrichs II. übernommen. Ich starb als wohlhabender Kaufmann 1779 in Berlin.