Michael Gabriel Fredersdorf (1708 – 1758)
Er vertraute mir blind
Mein Name ist Fredersdorf, Michael Gabriel Fredersdorf, geboren 1708 in Gartz an der Oder, gestorben 1758 in Potsdam. Ich war der Geheime Kämmerer und Vertraute Friedrichs des Großen. Obwohl ich vier Jahre älter war als der König, behandelte er mich stets wie ein Vater. Ein guter Vater, nicht so wie ihn sein eigener Vater. Am Leid meiner letzten Jahre nahm er lebhaften Anteil. Er schickte Ärzte zu mir und empfahl mir die besten Mixturen, um mein Blasenleiden zu lindern. Er verstand es, mich auch in trüben Zeiten aufzuheitern. Übrigens: Ich glaube nicht daran, dass meine Leiden von den Quecksilberdämpfen herrührten, die bei Versuchen aufstiegen, Gold herzustellen.
In der Festung Küstrin, wo Friedrich als hochverräterischer Kronprinz festgehalten wurde, habe ich ihn mit dem Flötenspiel unterhalten. Vielleicht hatte ich einen guten Anteil daran, dass er nach dem Henkerstod seines Freundes Katte wieder Lebensmut fasste. So blieben wir zusammen, Friedrich und ich. Er wurde König und ich stieg zum Geheimen Kämmerer auf. Ich hatte die Ehre, die Schatulle des Königs zu verwalten: das, was er einnahm, und das, was er ausgab. Ich war es, der die Schnupftabaksdosen kaufte, die er so liebte, ich besorgte die Sängerinnen und Tänzerinnen für seine Theater, bemühte mich – leider erfolglos – um Experten, die die Fontänen von Sanssouci zum Sprudeln bringen konnte, und tat alles, um sein Leben angenehm zu machen. Sorgen hatte er genug. Auch auf Schloss Sanssouci, was ja „sorgenfrei“ heißt.
Ich bin Seiner Majestät sehr zu Dank verpflichtet. Obgleich nicht von Adel, konnte ich bei Hofe ganz nach oben aufsteigen. Mancher „Graf von und zu“ bemühte sich um meine Bekanntschaft, um so dem König näher zu kommen. Dank dieser Vertrauensstellung konnte ich die Tochter des reichen Bankiers und wichtigsten preußischen Waffenproduzenten Gottfried Adolph Daum ehelichen. Majestät geruhten unmittelbar nach seiner Thronbesteigung, mir das Gut Zernikow in der Nähe von Rheinsberg zu übereignen. Da war es für mich selbstverständlich, dass ich mich dort der Zucht von Seidenraupen widmete. Was der König von dem Niedrigsten seiner Untertanen erwartete, konnte ich nicht verwehren. Ich ließ, wo ich nur konnte, Maulbeerbäume pflanzen,
Vielleicht sollte ich zunächst daran erinnern, dass zu unserer Zeit Seide nicht nur für besonders schöne und geschmeidige Gewänder verwandt wurde, sondern auch zur Wandverkleidung, speziell in den Palästen und Schlössern. Gerade dort war der Bedarf an Seide unersättlich. Der Import aus Frankreich und Italien verschlang ungeheure Summen. Aber warum viel Geld ausgeben – so fragte sich Friedrich – wenn man Seide im eigenen Lande herstellen kann? Man benötigt dafür erstens Seidenraupen, zweitens Maulbeerbäume als Nahrung für die Raupen, drittens Seidenweber. Da sich Seidenraupen schnell vermehren, waren sie das geringste Problem. Die Pflanzung der Maulbeerbäume erfolgte auf Befehl des Königs überall im Land, auf Plantagen, entlang von Straßen, auf Schul- und Kasernenhöfen.
Die Menschen machten sogar mit, denn aus den süßen Früchten der Maulbeeren kann man Konfekt, Konfitüre und auch Likör herstellen. Die Seidenraupen begnügten sich mit den Blättern. Das Problem der Seidenweber versuchte Friedrich durch die Anwerbung von Fachleuten vor allem aus Frankreich zu lösen. Das waren Leute, die ein Höchstmaß an Perfektion, Konstanz und Gefühl für das Material mitbrachten. Denn Seidenfäden reißen beim Weben sehr leicht, und Knoten sind im sehr feinen Seidengewebe nicht zu verstecken. Trotz aller Bemühungen: Mehr als ein Zehntel des Bedarfs an Seide konnten wir niemals aus preußischer Produktion decken. Aber kommen Sie nach Zernikow und sehen Sie sich an, wie prächtig sich meine Maulbeerbäume heute noch machen. Und mein Schlösschen, für das Meister Knobelsdorff eigenhändig die Pläne lieferte, erstrahlt in neuem Glanz.