Johann Georg Pfund (1700 – 1784)
Der rasende Kutscher
Gestatten, Johann Georg Pfund, Leibkutscher Friedrichs des Großen. In Potsdam kennt mich jedes Kind, denn ich bin als Steinfigur auf dem Tor des Kutschstalls am Neuen Markt verewigt. Hier können alle sehen, wie ich die Pferde eines Vierspänners antreibe, als gelte es, ein Wagenrennen zu gewinnen. Die Tiere bäumen sich auf und ich schwinge meine Peitsche auf sie herab. Finden Sie es nicht auch seltsam, dass sich die Plastik voll und ganz auf mich und meine Pferde konzentriert, von einer Kutsche aber nichts zu sehen ist. Ja, so ist es, mit meiner Person zeigt der gute alte Johann Eckstein erstmals in Potsdam einen realen Menschen auf einem königlichen Gebäude. Auch die anderen Figuren auf dem Kutschstall sind ganz gewöhnliche Pferdeburschen und verrichten gewöhnliche Tätigkeiten.
Doch zunächst wollen Sie bestimmt etwas über mich wissen. Ich wurde im Jahr 1700 in Neuruppin geboren und trat 30-jährig in den Dienst des damaligen Kronprinzen, als der – gerade aus dem Kerker der Festung Küstrin entlassen – das dortige Infanterieregiment „Kronprinz“ befehligen durfte. 46 Jahre blieben wir zusammen – ich und mein König. Und wie ich ihn kutschiert habe! So wie Friedrich das Risiko liebte, so liebte er auch schnelle Fahrten. Es konnte ihm nie schnell genug gehen, denn jede Fahrt war für ihn vertane Zeit, die er besser hätte nutzen können. Einmal – es war auf einer der Inspektionsreisen nach dem großen Krieg – kamen wir so unglücklich über einen Stein am Weg, dass die Kutsche umstürzte. Zum Glück war dem König nichts geschehen. Aber wütend war er und ging schon mit dem Stock auf mich zu. „Haben denn Euro Majestät niemals eine Schlacht verloren?“, fragte ich ihn. Er grinste, und der Zorn war verraucht.
Als wieder einmal eine Reise nach Schlesien anstand, hatte mich ein Fieber ans Bett gefesselt. Der König schickte einen Boten mit einer persönlichen Botschaft Seiner Majestät. Er teilte mir mit, dass er seine diesjährige Inspektion wohl absagen müsse, wenn ich nicht zur Verfügung stehe. Im gleichen Augenblick lösten sich wie von Wunderhand meine Fesseln und ich brachte den König sicher nach Schlesien.
Als Kutscher bestimmte ich auf den Reisen sogar den Zeitplan des Königs. Ein Edelmann hat folgenden Dialog zwischen dem König und mir auf der Rückreise von einer Revue festgehalten:
„Ist das Dolgelin? – Ja, Ihro Majestät. – Hier will ich bleiben. – Nein, die Sonne ist noch nicht unter. Wir kommen noch recht gut nach Müncheberg und dann sind wir morgen viel früher in Potsdam. – Na, wenn es sein muss!“
Die Geschichte geht so weiter:
„Es zeigt sich später, dass alle Prediger die Gewohnheit hatten, dem Kutscher Pfund zehn Taler zu schenken, wenn der König bei ihnen übernachtete. Der neue Prediger von Dolgelin allerdings, der von dieser Übereinkunft nichts wusste, hatte dem Kutscher im vorigen Jahr nichts gegeben. Deswegen hatte Pfund schon den ganzen Tag so vorwärtsgetrieben, dass er noch vor Sonnenuntergang Dolgelin passierte und sich die zehn Taler in Müncheberg vom Bürgermeister Krahmer holte.“
Ich erzähle Ihnen diese Geschichte nur, weil ich nichts zu verbergen habe. Meine Nähe zum großen König hat viele neidisch gemacht. Sie brachten Geschichten über mich in Umlauf, die meist davon handeln, dass ich dem König gegenüber grob und vorlaut auftrat. Außerdem soll ich ein Weiberheld gewesen sein und auf Kosten des Königs große Feste veranstaltet haben. Das ist alles üble Nachrede!
Als ich 76 Jahre alt war, wurde ich in den Ruhestand geschickt. Allerdings ohne Rente. Manche behaupteten, der König habe mir damit meine Unverschämtheiten heimzahlen wollen. Aber der Oberstallmeister Graf Schwerin hat dann doch noch eine Pension auf Lebenszeit in Höhe von 7 Thalern und 8 Groschen monatlich erwirkt. Ich starb am Tag meines 84. Geburtstages.